Jeder der schon einmal ein größeres Bauprojekt geplant oder durchgeführt hat, wird sich mit den dazugehörigen Ausgleichsmaßnahmen für den Naturschutz beschäftigt haben. Im Baurecht ist festgelegt, dass jede Baumaßnahme als Eingriff in die Natur auch wieder ausgeglichen werden muss. Wie dieser Ausgleich auszusehen hat, wird behördlich vorgeschrieben. Je größer das Bauvorhaben, desto größer ist auch der Ausgleich, der erfolgen muss. Hier bietet sich für Landwirte eine neue Einnahmequelle: Der Ökopunkte-Verkauf.

Was sind Ökopunkte?

Ökopunkte sind die Währung einer naturschutzrechtlichen Auf- oder Abwertung. So wird der Entsiegelung einer Fläche beispielsweise bis zu 16 Ökopunkte pro m2 zugewiesen oder Maßnahmen zum Schutz des kleinen Heidegrashüpfers 10 ÖP/m2. Dies sind Zahlen aus der naturschutzrechtlichen Ökopunkteverordnung des Landes Baden-Württemberg, welche sich von denen in anderen Bundesländern unterscheiden können. Auch die Zuordnung von Ökopunkten und Maßnahmen in der baurechtlichen Verordnung ist oft unterschiedlich. Diese baurechtlichen Ökopunkte werden auf Gemeindeebene verwaltet.

Führt ein Landwirt eine Maßnahme im Sinne des Naturschutzes durch, können die entstehenden Ökopunkte auf einem Ökopunktekonto gespeichert werden. Diese Ökopunkte können dann an Leute mit Bauvorhaben verkauft werden. Durch dieses Konzept werden Naturschutzmaßnahmen von Bauvorhaben abgekoppelt. Eine Besonderheit an dem Konto ist, dass die Punkte zu 3 % für maximal 10 Jahre verzinst werden. Wie viele Ökopunkte welcher Maßnahme zugeordnet werden, ist in der Ökopunkteverordnung des jeweiligen Bundeslandes, in der die Maßnahme durchgeführt werden soll, festgelegt. Die geplante Naturschutzmaßnahme kann auf eine Aufwertung der Flächennutzung, eine Verbesserung der Boden- und/oder Wasserqualität oder den besonderen Schutz einer Tier- oder Pflanzenart abzielen.

Beispiele sind:

  • Renaturierung von Fließgewässern und dem Uferbereich
  • Beseitigung von beschatteten Gehölzen, Anlage gut besonnter Kleingewässer oder Mooren
  • Entwicklung von Offenlandbiotopen, Streuobst- oder Wertholzwiesen

Eine Besonderheit stellen sogenannte produktionsintegrierte Kompensationsmaßnahmen (PIK) da, bei denen die Naturschutzmaßnahme in den betrieblichen Ablauf auf Hof und Acker miteingebunden ist. Beispiele dafür sind das Bepflanzen von Grünlandsäumen und Ackerrandstreifen.

Wie kann ich Ökopunkte erhalten?

Grundsätzlich bedarf die geplante Maßnahme der Zustimmung der unteren Naturschutzbehörde und weiteren Kriterien. Sie muss sich auf eine Eigentumsfläche von mindestens 2.000 m­2 beziehen und eine Aufwertung in Höhe von mindestens 10.000 Ökopunkten erzielen. Es dürfen keinerlei andere rechtliche Verpflichtungen bestehen, diese Maßnahme durchzuführen. Wichtig ist auch zu beachten, dass die Maßnahme 25 bis 30 Jahre lang unterhalten werden muss, eine Magerwiese muss zum Beispiel zwei Mal im Jahr gemäht werden.

Der Ablauf bis zur Gutschrift der Punkte bzw. dem Beginn der Maßnahme sieht folgendermaßen aus: Zuerst sollten in Frage kommenden Flächen bestimmt werden. Aus landwirtschaftlicher Sicht sind dabei weniger attraktive Flächen oder schwerer erreichbare Gebiete relevant. Wird eine Fläche zum Beispiel zur Magerwiese umgewandelt, kann das beim Mähen entstehende Heu als Futtermittel genutzt und auch als Futterfläche anerkannt werden.  Auch über mögliche Maßnahmen und deren Pflegeaufwand sollte man sich informieren. Dabei kann eine Erstberatung bei der unteren Naturschutzbehörde hilfreich sein. Dann muss ein Gutachten zum Zustand vor der Maßnahme und zu deren Ergebnis erstellt werden und mit dem entsprechenden Antrag eingereicht werden. Um die Anzahl der zu erhaltenden Ökopunkte zu berechnen, wird die Differenz aus den Ökopunkten des Ausgangszustandes und denen des Zielzustandes gebildet. Die Naturschutzbehörde prüft den Antrag und genehmigt diesen, anschließend werden die Punkte auf dem Ökopunktekonto verbucht.

Welche Kosten und Einnahmen kann ich erwarten?

Für den Landwirt als Maßnahmenträger kommen die Kosten der Planung, Durchführung und Pflege zum Tragen. Ein Gutachten kostet dabei in der Regel 4.000 bis 5.000 €, die Kosten für den Unterhalt der Maßnahme sind sehr verschieden und fallen über den gesamten Zeitraum von 25 bis 30 Jahren an. Da die Flächen landwirtschaftlich genutzt werden, ist es möglich eine Förderung über die Flächenprämie zu erhalten. Dem gegenüber stehen die Einnahmen aus dem Verkauf von Ökopunkten. Der Preis variiert dabei und hängt von der Region, sowie Nachfrage und Angebot ab. Zu beachten ist, dass Ökopunkte nur für Bauvorhaben, die im Naturraum der Naturschutzmaßnahme und den angrenzenden Räumen stattfinden, eingesetzt werden dürfen. Vorteil für den Bauvorhabenträger ist, dass dieser sich nicht selbst um den Ausgleich kümmern muss, sondern sich auf das Fachwissen des Landwirts verlassen kann. Bei einem Verkauf der Ökopunkte wird der entsprechende Betrag im Voraus vollständig bezahlt, steuerlich jedoch auf die Nutzungszeit bezogen.

Ein kurzes Beispiel:

Eine bestehende Fettwiese mittleren Standortes soll in eine Magerwiese umgewandelt werden.

Fläche4 ha
Ist-Zustand: Fettwiese16- 19 Ökopunkte/m2
Zielzustand: Magerwiese21- 23 Ökopunkte /m2
Differenz der Ökopunkteca. 5 Ökopunkte /m2
Gesamtökopunkte200.000
Möglicher Verkaufswert der Ökopunkte120.000 € – 200.000 €

In diesem Beispiel könnte es auch interessant sein, die Maßnahme im Sinne der baurechtlichen Ökopunkte zu bewerten. Dabei könnte das Aufwertungspotential, also die Differenz der Ökopunkte größer bemessen werden.

Ein deutlich größeres Aufwertungspotential zeigt sich im zweiten Beispiel:

Fläche13.000 m2
Ist-Zustand: Acker mit fragmentarischer Unkrautvegetation4 Ökopunkte/m2
Zielzustand: Magerwiese21-23 Ökopunkte /m2
Differenz der Ökopunkte17 Ökopunkte /m2
Gesamtökopunkte221.000
Möglicher Verkaufswert der Ökopunkte132.600 € – 221.000 €

Durch den Verkauf von Ökopunkten können also auch Flächen, die aus landwirtschaftlicher Sicht wenig nützlich sind, wirtschaftliche Vorteile bringen und dabei gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zum Naturschutz liefern. Eine Win-Win-Situation für Landwirt, Bauvorhabenträger und Naturschutzbehörde.

Claudius Wurth, Agrarberater